Während die Kartoffel aus der deutschen Küche nicht wegzudenken ist, fristet sie in Nigeria und Kamerun noch vergleichsweise ein Nischendasein. Das Potenzial wäre jedoch durchaus gegeben: Die Nachfrage ist grösser als die lokale Produktion liefern kann, mit guter landwirtschaftlicher Praxis und Qualitätssaatgut könnten die Erträge vervielfacht werden, und in der Ernährung liefert sie wichtige Nährstoffe. Aufgrund des noch geringen Organisationsgrads der Wertschöpfungskette (WSK) wird das Potenzial der Kartoffel derzeit jedoch noch kaum ausgeschöpft. Ein vielversprechender Ansatz zur Entwicklung der Kartoffel-WSK bieten Stakeholderplattformen. In diesen kommen Vertreter:innen der verschiedenen Glieder der Kartoffel-WSK zusammen und in den Austausch, um gemeinsam die Entwicklung des Kartoffelsektors voranzutreiben. So können sie zusammen Engpässe in der WSK identifizieren, Lösungsansätze für ein effizienteres Funktionieren erarbeiten oder gemeinsame Positionen für Strategien oder die politische Interessenvertretung aushandeln. Mit ihrer langjährigen Erfahrung im Bereich der Organisationsentwicklung und Moderation von Aushandlungsprozessen begleitet die AHA in Nigeria und Kamerun mit finanzieller und logistischer Unterstützung der GIZ den Aufbau zweier solcher Plattformen.
In Nigeria haben sich eine Kerngruppe aus Produzent:innengruppen, ein Verarbeiter und Forschungsakteure zu einer Plattform zusammengeschlossen, um gemeinsam im Plateau State die lokale Produktion von hochwertigen Kartoffeln für die Verarbeitung zu steigern. Mittelfristig soll aber auch auf der nationalen Ebene alle WSK zusammengebracht und die Rahmenbedingungen für das Funktionieren der WSK verbessert werden. Seit Dezember 2020 begleitet die AHA die Plattform in ihrem Entwicklungsprozess. Im Rahmen von Workshops erarbeiten die Plattformmitglieder mit AHA-Trainer:innen zusammen die wesentlichen Grundlagen einer bäuerlichen Organisation: in einem ersten Workshop wurden eine Vision und strategische Ziele der Plattform definiert. Darauf aufbauend wurden in einem zweiten Workshop konkrete Aktivitäten abgeleitet und Grundlagen eines Geschäftsmodells erarbeitet. Die in den Workshops erarbeiteten Inhalte dienen gleichzeitig als wertvolle Beiträge zur nationalen Strategie für den Kartoffelsektor, wodurch die Plattform bereits auf nationaler Ebene Akzente setzen kann. Als nächstes werden die demokratischen Verbandsorgane wie eine Mitgliederversammlung oder Vorstandswahlen gestärkt werden. Zwischen den Workshops werden die Arbeitsgruppen innerhalb der Plattform mit individuellen Coachingmaßnahmen für ihre Rollen weiter fit gemacht. Aufbauend auf den gefestigten Strukturen der Plattform und gesteigerten persönlichen Kapazitäten soll die Plattform dann im Weiteren für Akteure aus der WSK geöffnet werden – von Betriebsmittelhändler:innen bis zu Verterter:innen aus Ministerien.
In Kamerun besteht hingegen derzeit noch kein formeller Zusammenschluss der unterschiedlichen Akteure. Um die unterschiedlichen Erwartungen innerhalb des Sektors und Möglichkeiten für die gemeinsame Zusammenarbeit zu identifizieren, moderierte die AHA im August einen Workshop mit über 30 Teilnehmer:innen aus Produzentin:innegruppen bis hin zu Direktor:innen aus Ministerien. Die große Motivation der Teilnehmenden an der gemeinsamen Entwicklung der Kartoffel-WSK kam dabei von Anfang an klar zum Ausdruck. Anders als in Nigeria soll die Plattform in Kamerun von Anfang an auf der nationalen Ebene agieren. Hierzu soll eine Interprofession gegründet werden – einer im frankophonen Afrika verbreiteten Organisationsstruktur, die den deutschen Branchenverbänden nicht unähnlich ist. Die Workshopteilnehmenden definierten auch, welche Tätigkeitsfelder durch die Interprofession vorrangig adressiert werden sollen und welche Aufgaben sich für die Akteure daraus ergeben. Im Weiteren wird mit den Akteuren vor Ort definiert werden, wie der Aufbau der Interprofession am besten begleitet werden kann.
Während sich die Aktivitäten und Methoden in Nigeria und Kamerun deutlich unterscheiden, steht ein Grundprinzip im Mittelpunkt der Arbeit der AHA: Die Akteure vor Ort sind selber in der Verantwortung, ihre Ziele zu definieren, sich zu organisieren und eigenverantwortlich tätig zu sein. Die AHA-Trainer:innen geben daher auch nicht vor, wohin sich ein Prozess entwickeln oder was an dessen Ende stehen soll, sondern begleiten auf Augenhöhe. Vielfach ist dieser Ansatz neu für die Akteure vor Ort. Es dauert daher oft eine gewisse Zeit, bis diese Geisteshaltung verinnerlicht ist. Wenn dies aber einmal erreicht ist, setzt eine von den Akteuren selbst getragene und fortgeführte Dynamik ein, die auch über das Ende der AHA-Begleitung hinaus nachhaltig wirkt.
Neben den Unwägbarkeiten, die die Arbeit im lokalen Kontext immer mit sich bringt, stellen insbesondere in Nigeria COVID-19 bedingten Reiserestriktionen eine besondere Herausforderung für den menschorientierten Ansatz der AHA dar. Jedoch ermöglicht die Zusammenarbeit mit lokalen Trainer:innen das Durchführen von Workshops in einem hybriden Format. In diesen begleitet ein lokaler Trainer, der zuvor durch erfahrene AHA-Trainer:innen in die Methoden der AHA eingeführt wurde, die Teilnehmenden im persönlichen Austausch. Der AHA-Trainer wird über Webcall zugeschaltet und begleitet den Workshop aus der Ferne. Auch wenn der persönliche Austausch dadurch nicht ersetzt werden kann, hat sich das Format bisher gut bewährt. Es wird daher auch in Zukunft den umfangreichen Methodenkoffer der AHA zusätzlich erweitern – auch wenn wir uns doch sehr darauf freuen, möglichst bald wieder mit den Partner:innen vor Ort in direktem Austausch sein zu dürfen!
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