Tatsächlich? Während für Städter Normalität mittlerweile ein Privileg geworden ist, hat sich auf dem Dorf nicht viel geändert. Noch gestern erzählte mir ein Landwirt, dass eigentlich alles normal verlaufe. Klar: nicht so viele Autos auf den Straßen, doch die meisten können draußen sein und ihren Lebensalltag weitgehend normal gestalten. Natur kennt außerdem keinen Stillstand, macht keine Pause. So ruft nicht nur die Gartenarbeit, sondern auch „im Märzen der Bauer“ was derzeit einmal mehr Garant für reichlich Arbeit ist.
Auch wenn „die grünen Berufe“ natürlich keine Virologen sind, und der Vergleich etwas hinkt: Land-/Tierwirte, Winzer und Gärtner wissen auch im Kleinen, wie sich Krankheiten im Stall ausbreiten oder in einem Pflanzenbestand. Da heißt es, schnell und konsequent handeln, damit Infektionsherde schnell eingedämmt werden. Das betrifft Bio- genauso wie die konventionelle Landwirtschaft.
Bei all der Arbeit haben Sonderkulturbetriebe im Moment große und berechtigte Sorgen: Die für die immense und anstrengende Ernte benötigten tausende Saisonarbeitskräfte aus dem EU-Ausland können nur unter größeren Auflagen anreisen. Hoffen wir, dass Initiativen wie „Das Land hilft“ nicht nur kurzfristig in der Bevölkerung für einen ganz neuen Zugang und vor allem Wertschätzung der Landwirtschaft beitragen.
Können wir etwas Positives aus der Krise mitnehmen? Insbesondere in der Landwirtschaft ist es ein Privileg, leben und arbeiten zu Hause verbinden zu können. Mit Stolz traditionelle Werte und Rituale zu Hause in der Familie zu begehen und in und mit der Natur zu arbeiten. Und als Unternehmer meine Arbeit auf dem Hof, nämlich die Erzeugung von Lebensmitteln, weiter betreiben zu können. Der Stellenwert der heimischen Landwirtschaft gewinnt zudem eine ganz neue Bedeutung in der Gesellschaft.
Diese Krise lehrt uns, welche Freiheiten wir uns über Jahrhunderte erarbeitet haben. Von der Bauernbefreiung bis zur Industrialisierung, ein pluraler, friedlicher und allerhöchster Lebensstandard, den wir so vorher noch nie hatten! Vielleicht werden nun wieder mehr Höfe gegründet, statt die Türen zu schließen? Vielleicht kehren wir auch wieder zu einer angemessenen Zahl an Höfen je Dorf zurück, die ihre unmittelbare nahe Region mit hochwertigen Lebensmitteln direkt versorgen.
Sicher brauchen wir aber keine Polarisierung und moralische Gesinnungslager mehr, sondern „ein Maß in den Dingen“. Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden bekommt eine neue Bedeutung. Und das mit einem weiter entwickeltem Gemeinsinn, der die Landwirtschaft wieder ins rechte Licht und damit in die Mitte der Gesellschaft rückt. Das wünsche ich mir!
Dieser Artikel ist erschienen in top agrar. Ausgabe 5/2020 vom 20.04.2020. Den Originalartikel finden Sie hier.
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