Rechtsextreme Strategien in ländlichen Räumen

von Franziska Holze

Beispiele rechtsextremer Akteure und wie wir gemeinsam für den demokratischen Zusammenhalt eintreten können.
(c) Pressefuchs Brandenburg

Vor über 75 Jahren, im Jahr 1948, wurde die Andreas Hermes Akademie gegründet. Der Namensgeber gehörte während des Nationalsozialismus zum Widerstand und sah die Notwendigkeit, dass auch in der Landwirtschaft, ihren Organisationen und in ländlichen Räumen die Menschen nicht erneut totalitären Ideologien nachlaufen. So lag vom Beginn an der Bildungsschwerpunkt der Akademie auf dem eigenständigen Denken, dem kritischen Diskurs über gesellschaftliche Themen und der Übernahme von Verantwortung.

Seit 2022 ist die Akademie im Projekt “Abgehängt? Eingeholt! Jung, ländlich und vielfältig” des Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum aktiv. Ziel ist es, die demokratische Gesinnung als inhärentes Persönlichkeitsmerkmal junger Menschen in ländlichen Räumen zu unterstützen und zu stärken. Der Schwerpunkt des Projektes der politischen Jugendbildung liegt an der Schnittstelle zwischen den Belangen der ländlichen Räume und der Prävention von religiös begründetem Extremismus, Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Durch Seminare und Projekte der Demokratiebildung werden junge Menschen in ihren demokratischen Kompetenzen gestärkt. Zusätzlich werden haupt- sowie ehrenamtlich Aktive in der ländlichen Bildungsarbeit in der Demokratiebildung unterstützt und für Demokratiefeindlichkeit sensibilisiert.

Hermes‘ Anliegen ist auch heute noch höchst relevant: Unsere pluralistische Gesellschaft und diverse Krisen stellen uns immer wieder vor Herausforderungen. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland und internationale Konflikte und Krisen verstärken die gesellschaftlichen Spannungen und beeinflussen sowohl den öffentlichen Diskurs als auch das soziale Miteinander. Diese Entwicklungen prägen die Lebensrealität der jungen Generation, bewegen sie emotional, lösen Unsicherheiten aus und stellen besondere Anforderungen an die Bildungsarbeit. Insgesamt zeigt sich, dass die Wahrnehmung krisenhafter Zeiten mit einer Skepsis gegenüber den Lösungskompetenzen unserer demokratischen Institutionen einhergeht. Laut der im November 2024 erschienen Autoritarismusstudie der Universität Leipzig nimmt die Zustimmung zur Demokratie in Deutschland rapide ab und eine Zunahme an ausländerfeindlichen Einstellungen ist zu beobachten. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung zeigt autoritäre Einstellungen sowie eine Neigung zu extremen und rechtsextremen Positionen.

„Die Konsequenz daraus ist, dass die Demokratie in Deutschland nicht mehr unumstritten ist“, schreiben die Autoren. „Und diese Auseinandersetzung findet nicht nur um die Gestaltung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder um die politischen Präferenzen und die Qualität der politischen Entscheidungen der Regierung statt. Dies wären „normale“ Debatten in einer Demokratie. Der Streit entbrennt vielmehr um das politische System selbst.“[1]

Diese Entwicklungen stärken rechtsextreme Akteure, deren Ideologie auf Bestandteilen wie der Ablehnung der liberalen Demokratie, auf Autoritarismus und Sozialdarwinismus sowie Ideologien der Ungleichwertigkeit oder des Nationalchauvinismus beruhen. Zu betonen ist, dass die kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremen Akteuren nicht gleichzeitig die Ablehnung traditioneller Werte oder konservativer politischer Einstellungen impliziert; vielmehr geht es um eine differenzierte Betrachtung der Strategien und Vereinnahmungsversuche des rechtsextremen und antidemokratischen Spektrums.

Der Zuspruch zu rechtspopulistischen und rechtsextremen Bewegungen und Parteien ist nicht eindeutig mit der Ländlichkeit einer Region verbunden und beschränkt sich nicht auf bestimmte Regionen oder Peripherien. Ländliche Räume zeichnen sich oft durch eine geringere Diversität, eine stärkere Bindung an traditionelle Werte und einen engeren sozialen Zusammenhalt aus, wodurch rechtsextreme Bewegungen angezogen und begünstigt werden können. Gleichzeitig fühlen sich viele Menschen in strukturschwachen ländlichen Gebieten durch den Strukturwandel und die Globalisierung abgehängt, was zu Unzufriedenheit und Polarisierung führen kann und die Suche nach scheinbar einfachen politischen Lösungen fördert.[2] Rechtsextreme Gruppen nutzen Ängste und Identitätskrisen, die durch den Verlust traditioneller Werte und wirtschaftlicher Unsicherheiten entstehen, zur Mobilisierung. Die Zufriedenheit mit demokratischen Institutionen sinkt, wenn Menschen sich politisch, kulturell oder wirtschaftlich abgehängt fühlen. Rechtsextreme nutzen diese Unsicherheiten und Lücken in der Infrastruktur, indem sie Defizite aufgreifen, Einfluss auf Institutionen nehmen und sich durch Engagement als Helfende inszenieren, um die Bevölkerung zu erreichen. Betrachten wir diese Strategien etwas genauer:

Strategien und Akteure in ländlichen Räumen:

  • Instrumentalisierung von Heimat- und Identitätspolitik und Vereinnahmung von Brauchtümern und Traditionen:

    Die Betonung von Heimat, Tradition und kultureller Identität wird genutzt, um eine emotionale Bindung zu schaffen und das Konzept einer exklusiven “Volksgemeinschaft” zu fördern.

    Beispiel:

    Die Identitäre Bewegung macht in ihrer Propaganda gezielt Gebrauch von Heimatbegriffen und betont die kulturelle Identität. Zunächst harmlos erscheinende Kampagnen wie „Heimat verliebt“ werden genutzt, um ihre völkische Ideologie zu propagieren.

    Hintergrundinfos:

    Die Identitäre Bewegung ist seit etwa 10 Jahren in Deutschland aktiv. Jung, modern, naturverbunden und „besorgt um das Abendland“. So inszeniert sich die neurechte Bewegung im Internet und bei Aktionen. Tatsächlich vertreten die Identitären klassische islamfeindliche, rassistische und demokratiefeindliche Positionen. Diese werden popkulturell aufbereitet und aktionistisch verpackt. Unter den Aktiven sind oft frühere Neonazis, die sich von dem schlechten Ansehen der Kameradschaften und der NPD (umbenannt in „Die Heimat“) lösen möchten. Aus „Blut und Boden“ wird „Ethnopluralismus“, aus „Rasse“ wird „Kultur“: Begriffe werden umgedeutet und mit neuem rechtsextremen Inhalt gefüllt. Die Forderung nach einem ethnisch homogenen Staat und Verschwörungserzählungen vom „Großen Austausch“ mit einem bevorstehenden „Volkstod“ werden als legitime Sorgen um den Erhalt der eigenen Kultur dargestellt. Die Identitäre Bewegung versucht dabei, mit einem moderneren Auftreten und einer scheinbar intellektuellen Fassade ihre extremistischen Ansichten zu verschleiern und in der Gesellschaft anschlussfähig zu machen.

    Was tun?

    Entscheidend ist neben der Aufklärung über Akteure und ihre Vereinnahmungsstrategien, dem ein positives Bild entgegenzusetzen, wie es bspw. weite Teile der Landjugend tun, wo die demokratischen Werte von den Engagierten getragen werden. Es ist wichtig, positive und inklusive Geschichten über Heimat und Identität zu fördern, die nicht auf Ausgrenzung basieren. Über Bildungsarbeit können Stereotypen abgebaut und das Bewusstsein für die Komplexität von Identität geschärft werden. Die Vielfalt innerhalb von Gemeinschaften anzuerkennen und zu feiern kann helfen, eine integrativere Definition von Heimat und Identität zu entwickeln.

  • Nutzung politischer Partizipation und Akzeptanz durch lokales Engagement:

    In einigen Fällen versuchen rechtsextreme Gruppen, sich politisch zu engagieren, indem sie Kandidaten in lokalen Wahlen aufstellen oder in Gemeinderäten aktiv werden. Ziel ist es, politischen Einfluss zu gewinnen und politische Entscheidungen nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen.

    Beispiel:

    Rechtextreme der „Anastasia Bewegung“ ließen sich in Wienrode im Harz in den Ortschaftsrat wählen und schüchterten andere Lokalpolitiker:innen ein, was zum Rücktritt der Bürgermeisterin führte. Die völkischen Siedlerinnen und Siedler wirken auf den ersten Eindruck harmlos, doch beruht ihr Lebensmodell und ihr politisches Engagement auf völkischer Ideologie. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt stuft den Verein „Weda Elysia“ als gesichert rechtsextrem ein und berichtet: „Der Verein ist bestrebt, die Kommunalpolitik im Sinne seiner rechtsextremistischen Ideologie zu beeinflussen oder zumindest sicherzustellen, dass der Ortschaftsrat keine Entscheidungen trifft, die den Interessen von ‘Weda Elysia’ entgegenstehen.“[3] Der Verein veranstaltet auf seinem Hof regelmäßig Feste, die Neonazis, Querdenker und AfD-Politiker:innen aus der Region anziehen. Zudem bestehen Verbindungen zu dem verbotenen Neonazi-Verein “Artgemeinschaft”. Auf einer Mitgliederliste war auch der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke zu finden.

    Hintergrundinfos:

    Die Anastasia Bewegung ist eine esoterisch-ökologische, neu-religiöse Bewegung, die ursprünglich aus Russland stammt und seit einigen Jahren auch in Deutschland lokale Strukturen (sogenannte Familienlandsitze) aufbaut. Es ist ein heterogenes internationales Netzwerk, welches seine ideologische Grundlage auf der zehnbändigen „Anastasia“-Buchreihe bildet, die ein völkisches und antisemitisches Weltbild propagiert.

    Im 900-Seelen-Ort Wienrode wird deutlich, wie die „Schweigespirale“ funktioniert. Enge, homogene soziale Strukturen in ländlichen Räumen schaffen Angst vor sozialer Isolation und dem Stigma als „Nestbeschmutzer“ zu gelten. Aufgrund mangelnder Gegenwehr und offener Diskussionen über die rechtsextremen Akteure normalisieren sich deren Ansichten und Aktivitäten. Das schränkt Menschen weiter ein, sich offen gegen sie zu stellen und diejenigen, die es tun, erfahren weniger oder keine Solidarität. Einschüchterungen, wie zerstochene Reifen fördern ein Klima der Angst und des Schweigens.

    Was tun?

    Neben der Aufklärung braucht es für Kommunen und Lokalpolitiker:innen Unterstützung und Rückendeckung, z. B. auch im Umgang mit Reichsbürger:innen. Eine Handreichung des Bundesverbands mobile Beratung gegen Rechtsextremismus bietet Tipps zum Umgang mit Druck auf die Kommunalpolitik.
    Weitere Hintergründe zu völkischen Siedlern und Siedlerinnen im gibt es im Podcast Landaussichten der Andreas Hermes Akademie.

  • Ausbau rechtsextremer Netzwerke durch Immobilien für Veranstaltungen und Szenetreffpunkte:

    Durch die gezielte Ansiedlung in bestimmten Regionen versuchen rechtsextreme Gruppen, ihre Präsenz zu verstärken und lokale Netzwerke aufzubauen. Dies kann die Rekrutierung neuer Mitglieder und die Verbreitung extremistischer Ideologien erleichtern. Jamel, Frettenrode, Themar, Grabow, Hetendorf, … – die Liste von Orten, in denen Rechtsextreme Immobilien erwerben und versuchen, regionalen Einfluss zu gewinnen oder nationalistische Gemeinschaften und Netzwerke von Gleichgesinnten aufzubauen, ist lang.

    Beispiel:

    Schnellroda hat sich unter der Führung von Götz Kubitschek und dem Institut für Staatspolitik (IfS) zu einem Knotenpunkt für rechtsextreme Aktivitäten entwickelt. In diesem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt wird ein Bauernhof als zentraler Veranstaltungsort genutzt, an dem regelmäßig Schulungen, Veranstaltungen oder Konferenzen für ein Publikum aus der Neuen Rechten stattfinden. Diese Programme fördern den Austausch extremistischer Ideen, enthalten Workshops zu politischen Strategien, Vorträge namhafter rechtsextremer Vertreter:innen und stärken die Vernetzung unter Gleichgesinnten. Der Bauernhof von Kubitschek fungiert nicht nur als Veranstaltungsort, sondern auch als symbolisches Zentrum, welches die vermeintlich positive und kulturelle Seite des Rechtsextremismus hervorhebt.

    Das Institut für Staatspolitik (IfS) war eine zentral bedeutende Denkfabrik der Neuen Rechten, die im Jahr 2000 von Götz Kubitschek und seiner Frau Ellen Kositza sowie von Autoren aus dem Umfeld der Jungen Freiheit gegründet wurde. Das IfS diente als Plattform für die intellektuelle Auseinandersetzung und für strategische Schulungen der rechtsextremen Szene. Es war bekannt für die Herausgabe der Zeitschrift „Sezession“, die als wichtiges Sprachrohr für rechtsextreme Ideen diente. Veranstaltungen wie die Winterakademien richteten sich dabei an junge Akademiker:innen. Das IfS propagierte insbesondere das rassistische Konzept des Ethnopluralismus, das besagt, dass ethnische Gruppen in ihren eigenen, homogenen Gesellschaften leben sollten. Dieses Konzept gilt als intellektueller Versuch, sich von den Verbrechen des Nationalsozialismus zu lösen und die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie zu modernisieren. Im Jahr 2024 löste sich das als gesichert rechtsextrem eingestufte IfS formal auf, um einem möglichen Verbot zuvorzukommen. Die rechtsextremen Bestrebungen werden in neuen Formaten und unter neuen Namen in Schnellroda fortgeführt.
    Was tun?

    Um rechtsextremen Netzwerken entgegenzuwirken, sind vielfältige Gegenstrategien notwendig. Zivilgesellschaftliche Organisationen können durch Aufklärung über die Gefahren rechtsextremer Ideologien sensibilisieren. Interkulturelle Begegnungen und Dialogprojekte fördern Vertrauen und bauen Vorurteile ab. Politische Entscheidungsträger sollten auf die Gefahren solcher Netzwerke aufmerksam gemacht und ermutigt werden, präventive Maßnahmen zu unterstützen, die Vielfalt und Toleranz in den Mittelpunkt stellen. Eine aktive und sichtbare Präsenz der Zivilgesellschaft in diesen Regionen kann helfen, rechtsextremen Akteuren den Nährboden zu entziehen und ein positives, inklusives Bild der Gemeinschaft zu fördern. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt hat eine Handreichung erstellt, um die Nutzung privater Immobilien für rechtsextreme Zwecke einzudämmen.

  • Siedlungsprojekte und Gemeinschaftsbildung – Aufbau sozialer Beziehungen:

    Rechtsextreme Gruppen versuchen eigene Siedlungsprojekte zu initiieren, um eine homogene Gemeinschaft nach ihren Vorstellungen zu schaffen. Dies kann den Aufbau von enklavenartigen Strukturen in ländlichen Gebieten beinhalten.

    Beispiel:

    2016 entstand das Siedlungsprojekt „Initiative Zusammenrücken“ von Menschen, vermehrt westdeutscher Herkunft, teils mit Vorstrafen und langen Karrieren im rechtsextremen Milieu. Diese warben für den Umzug in kleine Dörfer, vorrangig in Mitteldeutschland, aber auch in andere Regionen. Die Initiative „1% für unser Land“ sammelt dabei Gelder für den Erwerb von Immobilien und schafft finanzielle und organisatorische Netzwerke. Vor Ort organisieren sie Treffen und Veranstaltungen, bei denen sie sich als Fürsprecher oder Aktive für lokale Anliegen oder Nachbarschaftshilfe präsentieren, als vermeintlich unpolitisch auftreten und Vertrauen bei der lokalen Bevölkerung aufbauen. So versuchen sie ihre Ideologie in die Gesellschaft einzubringen, indem sie sich als Teil der Lösung lokaler Anliegen präsentieren.

    Hintergrundinfos:

    Die Initiative Zusammenrücken hat ihr Projekt nicht nur über eine Website, sondern vorrangig über ihren Telegramkanal beworben. Unter anderem waren dabei Aktive der NPD-Jugend (JN) und der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), bekannte Neonazikader und Szeneliedermacher aktiv. Auch sie selbst zogen dabei beispielsweise von Niedersachsen nach Leisnig bei Leipzig oder von Dortmund nach Chemnitz. Die Szene versuche damit einzelne Ortschaften oder Regionen ideologisch zu prägen oder gar zu vereinnahmen.

    „Viele Menschen in den betroffenen Orten machen sich über diese Entwicklung große Sorgen – so beispielsweise im 8.000-Einwohner-Ort Leisnig in Mittelsachsen. Hier leben inzwischen mindestens fünf recht neu zugezogene Familien aus dem rechtsextremen Milieu. Offen kritisch über die neuen Nachbarn zu sprechen, traue sich in diesem Ort fast niemand“, berichtet ein Reporter des Deutschlandfunks.

    Was tun?

    Vernetzung, öffentliche Diskussionen, sichtbare Aktionen, Aufklärung oder die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. In der Handreichung der Amadeu Antonio Stiftung zum kommunalen Umgang mit völkischen Siedlern finden sich weitere hilfreiche Gegenstrategien.

  • Umwelt- und Naturschutz als Vehikel:

    Die Betonung von Umwelt- und Naturschutz kann als Tarnung für völkische Ideologien dienen, da rechtsextreme Gruppen sich als Verteidiger der Umwelt präsentieren, um Akzeptanz in der Bevölkerung zu gewinnen. Umwelt- und Naturschutzthemen liegen vermeintlich außerhalb ihrer verfassungsfeindlichen Agenda, sodass ihr Engagement Sympathien in der Bevölkerung erzeugen kann. Umweltschutz wird als „Heimatschutz“ umgedeutet, wobei der Schutz des „eigenen Volkes“ eng mit dem Umweltschutz verknüpft wird. Diese Verbindung hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Der Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ ist unter rechtsextremen Parteien wie der NPD (jetzt „Die Heimat“) und der neonazistischen Kleinstpartei „III. Weg“ verbreitet und eng mit der Blut-und-Boden-Ideologie verbunden.

    Beispiel:

    Der Reinhardswald in Hessen ist ein beliebtes Naherholungsgebiet: Über diesen brach Streit über den Bau von Windkraftanlagen aus. Rechtsextreme Gruppen instrumentalisierten den Naturschutz- und Umweltaktivismus für ihre Zwecke. Mehrere rechtsextreme Akteure (wie die Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative“, oder der „III. Weg“) organisierten Veranstaltungen und Aktionen im Wald. Unter dem Deckmantel des „Naturschutzes“ propagieren sie völkische Ideologien und versuchen, sich als umweltbewusste Bürger:innen zu inszenieren und neue Aktive zu gewinnen.

    Was tun?

    Im Falle des Reinhardswalds versuchten zahlreiche zivilgesellschaftlichen Organisationen und lokale Antiwindkraftinitiativen, die wahren Ziele dieser Gruppen zu entlarven und die Bevölkerung für rechtsextreme Strömungen in diesem Kontext zu sensibilisieren. Sie distanzierten sich ausdrücklich von den Akteuren und den falschen Behauptungen, die aufgestellt wurden.[4] Hilfreich ist daher Hintergrundwissen, um die Akteure und ihre Absichten von Vereinnahmung zu erkennen. Dabei unterstützen kann beispielsweise die Handreichung zum Thema rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz.

  • Gezielte Ansprache bestimmter Bevölkerungsgruppen und Beeinflussung des öffentlichen Diskurses über eigene Medienkanäle:

    Rechtsextreme Gruppen versuchen gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen anzusprechen, die möglicherweise anfällig für nationalistische oder völkische Ideologien sind. Dazu gehören beispielsweise Menschen in wirtschaftlich benachteiligten oder strukturschwachen Regionen.

    Beispiel:

    Neben anderen rechtsextremen Gruppen wie den „Freien Sachsen“ hat der „III. Weg“ im Januar 2024 versucht, im Rahmen der Bauernproteste an Einfluss zu gewinnen. Sie organisierten nicht nur einen Aufmarsch in Wittstock (Brandenburg), sondern inszenierten sich auch im Allgäu als Kümmerer bei lokalen Protesten. Im Brandenburger Vorstand des III. Wegs sind zwei Landwirte aus der Prignitz vertreten. Einer von ihnen war zuvor in der NPD aktiv, während beide später in einer Abspaltungsorganisation und zahlreichen Tarnorganisationen wie „Ja zu Brandenburg“ und „Schutzbund Deutschland“ tätig waren. Die Abspaltung von der NPD erfolgte, weil diese das „Abstammungsprinzip“ missachtete, indem sie einen Bosnier für das EU-Parlament aufstellten. Darüber hinaus verteilte der III. Weg während der Grünen Woche 2024 in Berlin Flyer mit den Titeln „Bauernstand macht stark das Land“ und „Volkstreu & grün!“ und nahm aktiv an den Protesten vor dem Brandenburger Tor in Berlin teil.

    Hintergrundinfos:

    Der III. Weg ist eine rechtsextremistische Partei, die sich an der völkisch-nationalistischen Ideologie des Nationalsozialismus orientiert und von ehemaligen NPD-Funktionären und Aktiven in rechtsextremen Organisationen wie dem nordbayrischen „freies Netz Süd“ gegründet wurde. Da Parteien schwerer als andere Organisationsformen zu verbieten sind, bietet dieser Rahmen eine Möglichkeit sich zu organisieren. Der III. Weg tritt vor allem in Sozialen Netzwerken, Videoportalen und Messengerdiensten auf und der Ausbau ihre Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ) wird konsequent vorangetrieben.

    Zahlreiche rechtsextreme Akteure versuchen für die ländliche Bevölkerung zu sprechen und ihre Themen zu vereinnahmen. Auch die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Jugendorganisation der AfD , die Junge Alternative (JA), trat im Rahmen der Bauernproteste mit großen Bannern unter dem Titel „Bauerstand ist Ehrenstand“ auf. Auffällig ist auch, dass die Blockade der Fähre in Schlüttsiel im Januar 2024, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand, nicht ausschließlich von Landwirt:innen organisiert wurde, sondern von einer Person initiiert wurde, die in Messengergruppen der „Identitären Bewegung“ aktiv ist und Verbindungen zu den sogenannten „freien Schleswig-Holsteinern“ hat. Die Mobilisierung einiger Protestaktionen von Landwirt:innen beruhte somit nicht auf den Aufrufen etablierter landwirtschaftlicher Verbände, lokaler bäuerlicher Organisationen oder engagierter Einzelpersonen, sondern wurde in Messengergruppen koordiniert, die der rechtsextremen Szene sowie der Querdenker- und Reichsbürgerszene zuzuordnen sind oder sich zumindest als rechtsoffen präsentieren.

    Was tun?

    Um die Vereinnahmung der Proteste von Landwirt:innen zu verhindern, sind klare Abgrenzungen notwendig. Ohne Beteiligung von extrem rechten oder antidemokratischen verschwörungsideologischen Akteuren oder der Nutzung ihrer Symbole oder Narrative, treten die sachlichen Anliegen deutlicher in den Vordergrund. Ein verstärktes Augenmerk auf die Aufklärung dieser Vereinnahmungsstrategien bei Protesten oder Aufrufen in Sozialen Medien und Messengerdiensten kann hilfreich sein. Das Festhalten an demokratischen Werten und die Betonung der gemeinsamen Identität als besonnene, zukunftsgerichtete Landwirt:innen können den Zusammenhalt stärken und extremen Umsturzphantasien deutlich entgegenwirken. Es ist entscheidend, eine positive Sicht auf die ländlichen Gemeinschaften zu fördern und den rechtsextremen Narrativen gegenzusteuern, um den demokratischen Zusammenhalt zu stärken und zu bewahren.

Um den fortwährenden Einfluss rechtsextremer Gruppen in ländlichen Räumen zu schwächen, ist es entscheidend die Zivilgesellschaft zu stärken, die Schweigespiralen zu durchbrechen, eine konstruktive Diskussionskultur zu fördern und den Menschen vor Ort das Wissen an die Hand zu geben, um extremistisches Gedankengut zu erkennen und sich aktiv für die Vielfalt, die Demokratie und ein solidarisches Miteinander einzusetzen.
Das Projekt „Abgehängt? Eingeholt! Jung, ländlich & vielfältig“ und auch die Arbeit der Andreas Hermes Akademie und anderer Bildungseinrichtungen im Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum zielt darauf ab, Menschen in ländlichen Räumen und der Landwirtschaft in ihren demokratischen Kompetenzen zu stärken.

Die Autorin

Franziska Holze

Projektkoordinatorin und Bildungsreferentin

  • [1] Decker, O. et al. (Hg.): Leipziger Autoritarismus Studie 2024. S. 204
  • [2] Vgl. Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung beim BMEL: Demokratiestärkung in ländlichen Räumen vor dem Hintergrund
    rechtsextremistischer Demokratiegefährdung. S.2.
  • [3] Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt
  • [4] Vgl. Hochschule Magdeburg-Stendal: Rechtsextremismus in ökologischen Transformationsräumen (RIOET). Situationsanalyse aus Hessen und NRW. Ergebnisse empirischer Forschung. S. 18.

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